In einem Anfang Mai 1972 verschickten Rundschreiben, verkündete J.-P. Sydler, der damalige
Direktor der ETH-Bibliothek, für den 15. Mai die Eröffnung einer Kartensammlung an. Bereits
bei dieser Gelegenheit wies er darauf hin, dass die neugeschaffene Einrichtung die größte
Spezialsammlung für thematische Karten in der Schweiz sei.
Die Entscheidung, dass in der ETH-Bibliothek eine grosse Sammlung thematischer Karten der
Schweiz aufgebaut werden sollte, war bereits im Mai 1964 von einem einschlägigen
Fachgremium getroffen worden, doch hatte sich die eigentliche Gründung aus finanziellen
und organisatorischen Problemen immer wieder verzögert.
Mitwirkende in der angesprochenen Kommission waren auf fachlicher Seite die ETH-Professoren A. Gansser, H. Gutersohn, E. Imhof und E. Winckler, auf Seiten der ETH-Bibliothek J.-P. Sydler, A. Sacchi und
W. Winkler. Als Vertreter der Bibliothekskommission der ETH Zürich wirkte B. Eckmann.
Unabhängig von den administrativen Bemühungen war Eduard Imhof über lange Jahre
sicherlich der wichtigste Unterstützer und Antreiber für dieses damals neue Projekt.
Die Verantwortung für die eigentliche Institutionalisierung und Führung der Kartensammlung an
der ETH-Bibliothek wurde an Jürg Bühler übertragen, der dann für 37 Jahre die
Kartensammlung leiten sollte.
Gegründet als eine klassische Sammlung von wissenschaftlichen Karten und Kartenwerken,
konnte sich natürlich auch die Kartensammlung der ETH-Bibliotheken den gerade in diesem
Bereich stattfinden technischen Entwicklungen nicht verschliessen. Dies führte dazu, dass
bereits in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts eine strategische Neuorientierung in
Richtung einer Transformation der Kartensammlung hin zu einem Zentrum für
Geodateninformation als ehrgeiziges Programmziel definiert wurde. Für die Realisierung
dieses Zieles waren natürlich einige Voraussetzungen zu erfüllen. So war etwa die
Kartensammlung der ETH-Bibliothek die erste Kartensammlung der Schweiz, die eine
systematische und maschinenlesbare Katalogisierung (sowohl Formal- als auch
Sacherschließung) ihrer Kartenbestände anstrebte. Es folgten eine ganze Reihe von
Pionierprojekten und -produkten, die auch heute die Entwicklungen im Bereich
elektronischer Karten beeinflussen. Erwähnt werden sollen hier lediglich die Einführung des
Online-Katalogsystems ETHICS, dare Einsatz des GIS-basierten Systems Toporama oder das
Portal GeoVITe (in Kooperation mit dem Institut für Kartografie und Geografie der ETH
Zürich).
Diese Entwicklungen wurden dann in den letzten 10 Jahren konsequent weitergeführt. Seit
dem Jahr 2013 werden die Karten systematisch digitalisiert und auf der Plattform e-rara
online veröffentlicht. Bereits digitalisierte Karten dienen als Basis für weitere innovative
Projekte. Zu nennen sind hier etwa die Plattform ETHorama (seit dem Jahr 2014) oder
Georeferenzierung durch Crowdsourcing (seit dem Jahr 2016).
Die klassischen Aufgaben einer Kartensammlung wie Erwerbung, Erschliessung, Vermittlung
und Aufbewahrung der Medien sind naturgemäss auch in Zeiten des digitalen Wandels
weiterhin von Bedeutung. Daneben ist die Kartensammlung der ETH-Bibliothek heute mit
zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Hierzu gehören etwa die Qualitätssicherung
der digitalen Daten, deren gesicherte Langzeitarchivierung oder die komplexen Modalitäten
bei der Erwerbung elektronischer Karten.
Nach 50 Jahren intensiver Arbeit ist es also gelungen, die klassische Kartensammlung der
ETH-Bibliothek in ein Zentrum für Geodateninformation weiter zu entwickeln. Somit war es
dann nur folgerichtig, dies auch in einer offiziellen Neubenennung als «Karten und
Geoinformation (seit dem 1. Januar 2022) zu dokumentieren.
Obwohl also viel erreicht wurde, ist andererseits der digitale Wandel im Bereich Karten noch
lange nicht abgeschlossen. Trotz aller positiven Entwicklung bleibt auch in Zukunft noch viel
zu tun.
An dieser Stelle soll auch ein herzlicher Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Kartensammlung nicht fehlen. Sie haben den Erfolg erst möglich gemacht. Anstatt einer
Jubiläumstorte wird im Juni 2022 eine Festschrift erscheinen, die die oben skizzierte
Entwicklung dokumentieren wird.